Organist

Dominik Susteck (*1977 in Bochum) ist Organist und Komponist. Bereits früh weckte die Musik Olivier Messiaens sein Interesse an Neuer Musik, das er u.a. in Kursen der Jeunesses Musicales in Weikersheim bei Begegnungen mit dem Komponisten und Organisten Theo Brandmüller vertiefte.

Folkwang Universität der Künste in Essen © Wikipedia

Zeitgleich zu seinem Studium an der Folkwang Universität Essen u.a. im Fach Komposition bei Nicolaus A. Huber sowie in Kirchenmusik, Orgel und Musiktheorie entstand ab 1998 Kontakt zu Gerd Zacher, der ihn nachhaltig inspirierte. 2002-2007 unterrichtete Susteck an der Bischöfliche Kirchenmusikschule Essen. Dort veranstaltete er auch Konzerte, z.B. die Nacht zeitgenössischer Orgelmusik in der Kreuzeskirche Essen, Improvisationsabende sowie ein interdisziplinäres Projekt mit Silence von John Cage und einem Schauspieler, Klavierstücken von Morton Feldman und Zusatzgeräuschen.

Die in besonderes Licht getauchte Orgel des Berliner Konzerthauses

Mit Projekten u.a. mit dem Ensemble Horizonte, dem Schlagzeuger Jens Brülls und einer Aufführung des Livre d’orgue von Messiaen spezialisierte er sich auf zeitgenössische Musik im Kirchenraum und auf die Improvisation. Darüber hinaus engagierte er sich u.a. beim Festival Utopie now in Mülheim/Ruhr, z.B. bei einer Aufführung der Choralvorspielen I und II (1966, rev. 1968-69) von Dieter Schnebel zusammen mit Andreas Fröhling und Klaas Hoek (NL) 2004.

Das Innenleben einer Orgel wird in Dieter Schnebels Choralvorspielen I und II (1966, rev. 1968-69) thematisiert. Hier ein Foto der Speith-Orgel in Liebfrauen, Bielefeld-Mitte © Dominik Susteck

2007 wurde Susteck Organist an der Kunst-Station Sankt Peter Köln. Dort nahm er die schöpferische Perspektive der Interpretation moderner Musik weiter in den Blick. Die Interpretation der Musik des 18. und 19. Jahrhunderts orientiert sich an historischer Aufführungspraxis. Etwas Vergleichbares fehlt jedoch für die Musik ab 1962. Zudem gibt es wenig adäquate Instrumente.

Orgel der Kunst-Station Sankt Peter Köln © Dominik Susteck

Ein solches Instrument hatte Peter Bares in der Kölner Kirche realisiert. So begann Susteck, die Neue Musik in schöpferischer Weise neu zu interpretieren, ihr ein konsequentes Gesicht zeitgemäßer Darstellung zu geben, gekennzeichnet durch eine Perspektive der Moderne.

CD-Einspielungen von Rihm, Cage, Stockhausen, Hölszky, Kagel, Ligeti und Stäbler beim Mainzer CD-Label Wergo (Schott)

In Zusammenarbeit mit dem Deutschlandfunk entstanden Gesamteinspielungen von Hans-Joachim HesposGerhard StäblerJohn CageGyörgy LigetiTobias Tobit HagedornAdriana HölszkyWolfgang RihmGabriel IranyiMauricio KagelGerald EckertIannis Xenakis sowie Portraits von Jörg HerchetKarlheinz StockhausenPeter BaresYounghi Pagh-Paan und Isang Yun sowie Einspielungen einzelner Werke von Luis Antunes Pena, Anna Korsun und Eres Holz.

Dominik Susteck präpariert die Sauer-Orgel der Kapuzinerkirche Paderborn mit Bleistiften zur Aufführung eines Werkes von Żaneta Rydzewska (Polen) – „Außerhalb der Zeit“ (2021)

Dominik Susteck nutzt neben besonderen Spielhilfen feine, strahlende Klangfarben, Sonderkoppeln, Windabschwächung sowie Percussionregister – also genau die Aspekte, die in die zeitgenössische Musik ab 1950 eingezogen waren.

Walcker-Orgel (1973) in St. Peter in Sinzig, konzipiert von Peter Bares, ebenfalls mit Winddrossel, Sonderkoppeln und Schlagwerk ausgestattet © Dominik Susteck

Ein Akzent seiner Interpretationen liegt auf Geräusch und Schlagwerk. Susteck sucht frische und im Detail beeinflussbare, neuartige Klänge. Registrierung wird für ihn zu mehrdimensionaler Instrumentation. Es geht nicht um Veredelung eines herkömmlichen Klangideals, sondern um das Fantasievolle, Faszinierende, Nicht-Gehörte.

György Ligeti 1984 © Wikipedia

Bei den Interpretationen und Instrumenten ergibt sich eine Parallele zu György Ligetis Text „Was erwartet der Komponist der Gegenwart von der Orgel“ von 1968. Ligeti fordert neben einer großen Palette an Farben und Schwellwerken auch glocken- und sprachähnliche Klänge.

Dominik Susteck arbeitet auch mit midigesteuerten Instrumenten wie es z.B. im Orgelpark Amsterdam oder in St. Antonius Düsseldorf möglich ist, mit Orgel und Elektronik sowie in der Besetzung Orgel und Schlagzeug

Dominik Susteck mit Tobias Hagedorn (Elektronik) und Benedikt Röhn (Organist in Sinzig) vor einem Studiokonzert mit Deutschlandfunk-Mitschnitt in der Kirche St. Peter Sinzig am 28.10.2022 © Dominik Susteck

Neben dem Festival orgel-mixturen 2007-2021 veranstaltete er das Festival future pipes 2011-2012 in der KunstKulturKirche Frankfurt sowie die Nacht zeitgenössischer Orgelmusik in der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche Berlin und in der Lutherkirche Spandau.

Der Organist Michael Sattelberger spielt in der Lutherkirche Berlin-Spandau ein Konzert während der IV. Nacht zeitgenössischer Orgelmusik am 18.11.2021 © Dominik Susteck

Weiterhin spielte Susteck u.a. in der Philharmonie und im WDR-Sendesaal Köln, im Bremer Dom, im Konzerthaus Berlin, in der St.-Bavo-Kathedrale Haarlem etc. Kooperationspartner und Künstler sind u.a. Annie Bloch, Megumi Hamaya, Angela Metzger, Maximilian Schnaus, Tobias Tobit Hagedorn, Irene Kurka, Rie Watanabe, Michael Schultheis, Michael Riedel, Michael Sattelberger und Yukinobu Ishikawa sowie Studierende der Hochschule für Musik und Tanz Köln.

Dominik Susteck spielt Kagel – „Phantasie“ (1967) im WDR Sendesaal bei einem „Geisterkonzert“ während der Corona-Pandemie am 11.12.2020

Zuletzt präsentierte Dominik Susteck Aufführungen und Uraufführungen von Andreja Andric, Farzia Fallah, Farhad Ilaghi Hosseini, Andreas Paparousos, Simon Rummel, Żaneta Rydzewska, Ulrich Schultheiss. Seit August 2021 leitet Dominik Susteck den Fachbereich Kirchenmusik im Erzbistum Paderborn. So ergeben sich neue Bezüge beispielsweise zur Elisabethkirche Hagen und der Reihe neuer geist – neue musik von Michael Schultheis.

Illuminierte Kirche St. Elisabeth Hagen beim Konzert der Reihe „neuer geist – neue musik mit Michael Schultheis am 15.10.22 © Dominik Susteck

Improvisationen

Improvisationskonzert am 06.05.2023 in Sankt Peter Köln

Die Improvisationen von Dominik Susteck sind eine eindringliche Verschmelzung zwischen seinem kompositorischen Denken, technischem Können, dem jeweiligen Instrument und musikalischen Vorstellungen, die er aus den Titeln generiert.

Mai-Improvisationen am ersten Sonntag im Mai 2021 in der Kunst-Station Sankt Peter in Köln

Die Titel lassen auf jeweils individuelle Weise ihren Inhalt in Struktur und Form der Musik einfließen. Darin spiegelt sich die metaphysische Dimension seiner Musik. Die Verwendung von Titeln bildet den Versuch, das Unbenennbare benennbar zu machen.

Abschiedskonzert von Dominik Susteck am 27.6.2021 in der Kunst-Station Sankt Peter Köln mit midigesteuerten Zusatzinstrumenten von Gerhard Kern

Sie dienen dem Zweck, die ästhetischen Ideen seiner Improvisationen in Worte zu fassen und dem Konzert eine geistige Struktur zu verleihen. Nicht zu verwechseln mit einer bloß programmatischen Darstellung eröffnen die Titel einen Raum für kompositorische und interpretatorische Ausdruckskraft.

Dominik Susteck improvisiert an der Orgel der Dresdener Hofkirche

Dominik Sustecks Musik ist frei und eigenständig. Seine Improvisationen bezieht er konsequent auf die Gegenwart. Dabei denkt er als Komponist. Als solcher entwickelt er eine eigene, vollkommen neue Klanglichkeit. Seine Improvisationen sind Ausdruck unmittelbarer, körperlich-sinnlicher Energie.

Dominik Susteck improvisiert an der Goll-Orgel in Hamm

Susteck entdeckt im Entstehungsprozess seiner Improvisationen vielfältige Bezüge. Mit einer Art Fortpflanzungsenergie weisen sie über sich hinaus und finden authentische Kraft.

Dominik Susteck improvisiert an der historischen Orgel in Meschede-Calle

An jedem Instrument muss Susteck diese Energie neu ausloten. Er spürt als Komponist den Möglichkeiten des Instruments nach, um jeder Konzertsituation authentisch zu entsprechen. Daher nutzen seine Programme die Möglichkeiten des jeweiligen Instruments auf verschiedene Weise. Zugleich vermeiden sie die historische Perspektive.

Dominik Susteck improvisiert zur Lichtkunst von Laurenz Theinert im Paderborner Dom

Das Instrument wird ganz als organum, als Werkzeug begriffen. Susteck durchbricht bewusst die Tradition zugunsten der fortwährenden Suche nach authentischem Ausdruck. Das Spiel mit seinem jeweiligen Instrument und dem Raum wird existentiell. Seine Musikprogramme eröffnen Welten, die nie ein Mensch zuvor betreten hat.

Erste Improvisations-CD 2008: Spiegelungen, Live-Mitschnitt, Dominik Susteck an der Orgel der Kunst-Station Sankt Peter Köln

Komponist

Dominik Susteck konzentriert sich als Komponist in erster Linie auf die Orgel. Neben den Möglichkeiten, die Geräusche und Percussioninstrumente zu integrieren, interessiert ihn vor allem das Prinzip der verschiedenen Werke, die als einzelne Klangschichten in das Komponieren einbezogen werden.

Dominik Susteck: Zeichen (2016) für Orgel, es spielen Schüler:innen der Bischöflichen Kirchenmusikschule Essen

Neben dem ersten Orgelzyklus Zeitfiguren (2014) für Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker des Erzbistums Paderborn entstand der kleine Zyklus Zeichen (2016) für nebenamtliche C-Musiker(innen), der große Zyklus Raumgestalten (2018) für Angela Metzger sowie Orgellabyrinth (2020) für Maximilian Schnaus.

Dominik Susteck: Orgellabyrinth (2020), Maximilian Schnaus, Orgel

Eine besondere Herausforderung bildete der Auftrag des Acht Brücken Festivals Köln, ein Werk für 29 Soloinstrumente zu schreiben. Mit Weltraumschrott (2020) entstand ein Werk für 29 Instrumente mit Orgel, das auch in einer Orchesterfassung vorliegt. Diese wurde Ende 2021 in Brünn (Tschechien) vom dortigen Brno Contemporary Orchestra in der Philharmonie Brünn und dem Komponisten an der Rieger/Vleugels-Orgel aufgeführt.

Dominik Susteck: Weltraumschrott (2021) für 29 Instrumente, Ltg. Susanne Blumenthal

Neben den Orgelzyklen komponierte Dominik Susteck auch Stücke für Orgel+ als Konzertstücke wie „Spur – Kerbe“ für Orgel und Schlagzeug.

Dominik Susteck: Spur – Kerbe (2013) für Orgel und Schlagzeug

Zudem entwickelte sich zusammen mit Tobias Hagedorn ein großes Interesse an Musik für Orgel und Elektronik. 2022 entstand „unsecured territory“ mit Geräuschen aus der Stadt Esch-sur-Alzette (LUX) als Kulturhauptstadt Europas 2022.

Dominik Susteck: unsecured territory (2022) für Orgel und Elektronik