Raumgestalten

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Dominik Susteck: Raumgestalten (2018) für Orgel | Spieldauer: 60 Minuten (13′,8′,7′,6′,5′,22′)
Schraffur – Mond – Geometrische Figuren – Apokalypse – Tropfen – Endzeit

Noten zur Ansicht [hier], bestellbar bei Are

CD-Einspielung mit Angela Metzger hier: [CD]

Der einstündige Orgelzyklus „Raumgestalten“ entfaltet in seinen sechs Sätzen heterogenes musikalisches Material. Als Kompositionsauftrag des Deutschlandfunk wurde er nicht am Stück uraufgeführt, sondern von unterschiedlichen Interpreten: Angela Metzger, Michael Sattelberger, Age-Freerk Bokma und Kensuke Ohira. Die erstgenannte Interpretin hat ihn auf einer CD insgesamt eingespielt.

I. „Schraffur“ ist ein auf Repetition aufgebauter Satz, der in seiner über zehn Minuten dauernden Großform fast schon ein eigenständiges Konzertstück bildet. Unscheinbar, mit pochendem Rhythmus beginnend, entfaltet sich die Musik. Klangkaskaden greifen den Rhythmus auf, verstauchen ihn zu Geräuschen und Oktaven. Ein Scherzando-Abschnitt bringt ihn schließlich in insistierende, akkordische Farben, die widerwillig ihre Akkordstruktur behalten. Gegen Ende bäumt sich die Musik noch einmal mit reduziertem Wind auf, bevor sie im Pochen eines Einzeltons verschwindet.

II. „Mond“ ist ein ruhiger Satz, der mit seinem ständig abgewandelten Terzmotiv wie aus der Ferne Orientierung bietet. Schwebungen, Cluster, in sich bewegte Akkorde und polyphone Techniken bringen die Orgel zum Flimmern. Ruhe und Bewegung treffen zusammen, bevor die Musik von einer absteigenden Linie nach unten verschluckt wird.

III. „Geometrische Figuren“ ist ein streng mit additiver Rhythmik durchkomponierter Satz. Einzelne Stimmen entfalten sich vom Solo-Echo bis zum Trio. Gegen Ende wird die immer neu ansetzende Klarheit durch geräuschhafte Cluster durchbrochen. Sie löst sich mit verspielten Vorhalten auf.

IV. „Apokalypse“ ist ein Tutti-Satz in voller Lautstärke. Nach unten strebende Dissonanzen in additiver Rhythmik in höchsten und tiefsten Lagen erzeugen starke Spannungen. Die unscharfe, mit Dissonanzen gebrochene Oktave bildet das kompositorische Prinzip, das bis zum Ende durchgehalten und mit Clustern angereichert wird.

V. „Tropfen“ ist für ein Schlagwerk der Orgel komponiert. Es kann aber auch mit Pfeifenklängen realisiert werden. Glockenspiele klingen nach und entfalten sich. Zunächst treten sie in durchbrochenen Arpeggien auf. In konstanter Repetition entfalten sich die Schlagwerke, bevor sie in einzelnen Schlagtönen wie eine Uhr abtropfen.

VI. „Endzeit“ ist mit knapp zwanzig Minuten der längste Satz des Zyklus‘. Zugleich tritt er kompositorisch aus der dramaturgischen Zeit heraus. Seine einzelnen Elemente, die immer wieder von langen Pausen unterbrochen werden, könnten eine beliebige Reihenfolge annehmen. So bildet sich eine große Ungewissheit, da alles überall auftreten kann. Es entsteht eine kompositorische „Aufhebung“ der Zeit.

Trotzdem kann man sich erinnern: Eine leere Quinte, dramatische Klangballungen, fantastische Akkorde. Einzeltöne verändern sich, knicken ein oder Wabern mit unterschiedlichen Tremulantengeschwindigkeiten vor sich hin. Wie aus dem Nichts entstehen weite Felder, deren Registrierung changiert. Nach einiger Zeit setzt eine Melodie an, fragmentarisch. Ein fernes Rumpeln. Maschinenartige Wiederholungen. Zerknautschte Klänge mit finsterem Geräusch…Stille. 

Dominik Susteck

In the hour-long organ cycle “Raumgestalten” [Objects in a Space], heterogeneous musical material unfolds in the course of the work’s six movements. Commissioned by Deutschlandfunk, these movements were premiered successively by various soloists: Angela Metzger, Michael Sattelberger, Age-Freerk Bokma, and Kensuke Ohira. Angela Metzger has recorded the entire cycle for this CD. 

I. “Schraffur” [Cross-Hatching] is built upon repetition. With a duration of nearly ten minutes, it could almost stand as an independent concert work. The piece begins unassumingly with a pulsating rhythm that is taken up in cascades of sound and compressed into octaves and noise-like elements. Ascherzandosection brings insistent harmonic colors that stubbornly retain their chordal structure. Near the end, the music attempts to rise once more in spite of the dying flow of air through the organ, finally disappearing in the pulsing of a single note. 

II. “Mond” [Moon] offers peace and a sense of orientation with its constantly transformed motif based on the interval of a third. The sound of the organ shimmers with clusters, animated chord motion, and polyphonic techniques. Stillness and movement combine before a descending line pulls the music downward. 

III. “Geometrische Figuren” [Geometric Figures] is strictly through-composed using additive rhythms. Individual voices grow from an echoing solo into a trio. The constantly renewed clarity is disturbed near the end by the appearance of noise-like clusters. The movement dissolves with playful grace notes. 

IV. “Apokalypse” [Apocalypse] is a very loud tutti movement. A strong sense of tension is created by rhythmically additive dissonances that surge downward in the highest and lowest registers. The unifying compositional device is an unclear octave with additional intervals, disturbed by dissonances and enriched with clusters.  

V. “Tropfen” [Drops] is composed for an organ with percussion elements, but can also be realized using conventional pipe sounds. Glockenspiel bells reverberate, initially in broken arpeggios. The percussion sounds unfold in constant repetitions before “dropping” down in individual metallic noises like the sounds of a clock.  

VI. “Endzeit” [End Time] is the longest movement in the cycle, with a duration of approximately twenty minutes. It also steps outside the dramaturgical time scale of the cycle. Its individual elements, repeatedly interrupted by long pauses, could be placed in any order. This creates a sense of uncertainty and suspense, since anything may happen at any time. The result is a compositional suspension of time.  

One nevertheless has a feeling of recollection: a perfect fifth, dramatic conglomerates of sound, other-worldly chords. Single notes change, break off, or float with varying rates of tremolo. Broad fields of sound arise out of nowhere, drifting through changing registrations. Eventually, a fragmentary melody begins. Distant rumbling. Mechanistic repetitions. Crumpled sounds and dark noises. Silence.  

Dominik Susteck

English translation by John Patrick Thomas and W. Richard Rieves