Tobias Tobit Hagedorn – Standpunkte

CDs

Tobias Tobit Hagedorn – Standpunkte
Werke für Orgel und Elektronik

Dominik Susteck, Orgel
Kunst-Station Sankt Peter Köln
Deutschlandfunk
Are Verlag Köln (hier bestellen)

Labelcode 09084
Bestellnummer Are 7028
EAN-Code: 4025034270287

Konzertmitschnitte beim “Forum neuer Musik” des Deutschlandfunks am 2019, 2020 und 2021 in der Kunst-Station Sankt Peter Köln

Redaktion: Frank Kämpfer, DLF
Grafikdesign: Marc Behrens
DDP-Image: Stephan Schmidt
Booklettext: Tobias Hagedorn
© & ℗ Are Verlag Köln 2021

1) Stehen und Gehen (2017) für Orgel und Elektronik 10’01’’
2) Weitergehen (2019) für Orgel und Elektronik 10’27’’
3) Standpunkte (2018) für Orgel und Elektronik 10’28’’
4) Folgen (2021) für Orgel und Elektronik 11’18’’
5) Makrokreise (2018) für 4-Kanal Elektronik 34’36’’

Dominik Susteck, Orgel

Tobias Hagedorn, Elektronik

In Stehen und Gehen (2017) wirken lange harmonische Flächen im Hintergrund stark auf die Hörenden ein, während diese vordergründig in spielerischer Weise mit verschiedensten Klangfarben nachgezeichnet und angedeutet werden. Dabei wechseln sich immer wieder musikalische Stillstände, in denen man verweilt, mit allmählichen Veränderungen ab.

Die elektronischen Klänge betten dabei den Orgelklang häufig ein und lassen sich vom Orgelklang kaum unterscheiden. Grundtönige Flötenregister der Orgel werden mit reduziertem Winddruck mikrotonal verzerrt, während synthetische Klänge mit langen Fade-ins und Fade-outs und extrem langsamen Glissandi an diesen Tonhöhen vorbei streifen. An anderer Stelle wird durch grafische Notation Raum für ein improvisatorisches Zusammenspiel zwischen Elektronik und Orgel frei gegeben.

In Stehen und Gehen (Standing and Walking, 2017), long harmonic surfaces in the background have a strong effect on the listener, while these are playfully traced and hinted at in the foreground with a wide variety of timbres. In the process, musical stases, in which one lingers, alternate time and again with gradual changes.

The electronic sounds often include the organ timbre, which can hardly be distinguished from the electronic. Basic organ flute stops are distorted microtonally through reduced wind pressure, while synthetic sounds roam past these pitches with long fade-ins and fade-outs and extremely slow glissandi. Elsewhere, graphic notation frees the performer for improvisatory interplay between electronics and organ.

Standpunkte (2018) setzt sich aus nur wenigen Grundmaterialien zusammen, die sich einander immer wieder neu ergänzen. Die gesamte Dramaturgie des Stückes ergibt sich also ausschließlich durch die variierenden Kombinationen dieser unterschiedlichen musikalischen Bausteine. Dabei handelt es sich um fünf Elemente. Die ersten drei Elemente werden auf den Manualen realisiert, auf denen jeweils ein hohes 2′-Register gezogen ist. Die Manuale werden genau in drei Teile geteilt. Im obersten Teil werden handflächengroße Cluster gespielt. Mal sehr wild und mal statisch gehaltene Blöcke. Das zweite Element im mittleren Bereich des Manuals bildet sich durch Dreiton-Cluster – mal einen ganzen Takt lang gehalten und mal mit zwei bis drei Varianten innerhalb eines Taktes. Das dritte Element sind schnell umherspringende Einzeltöne oder aber nur drei beliebige sehr kurze Töne im untersten Drittel des Manuals. Das vierte Element ist immer der Ton B, welcher mal schnell repetierend, und mal mit nur wenigen Einzeltönen innerhalb eines Taktes gespielt wird. Das fünfte Element ist das gleiche für den linken Fuß auf dem Ton C. Für jedes Material gibt es im elektronischen Part ein Pendant, welches den Orgelpart mal ergänzt und mal ersetzt. Die Taktlängen variieren ebenfalls nur zwischen zwei möglichen Dauern von drei oder fünf Sekunden.

Standpunkte (Standpoints, 2018) is composed of only a few basic materials that constantly complement each other. The entire dramaturgy of the piece thus results exclusively from the varying combinations of these different musical building blocks. There are five elements involved. The first three elements are realized on the manuals, on each of which a high 2′ stop is in play. The manuals are exactly divided into three parts. In the uppermost part, palm-sized clusters are played: sometimes very wild and sometimes in static blocks. The second element in the middle range of the manual is formed by three-note clusters: at times held for a whole bar and at other times with two or three events within a bar. The third element is made up of rapidly jumping single notes or simply any three very short notes in the lowest third of the manual. The fourth element is always the note B-flat, which is sometimes repeated quickly and sometimes played with only a few attacks within a bar. The fifth element is the same for the left foot on the note C. For each type of material, there is a counterpart in the electronic part, which sometimes supplements and sometimes replaces the organ part. There are also two possible durations for each measur: three or five seconds.

Weitergehen (2019) ist ein einziger linearer musikalischer Prozess, der sich in einem großen Crescendo äußert. Zu Beginn steht die Orgel im Vordergrund. Im Pedal werden durch tiefe benachbarte Halbtöne wummernde Interferenzen erzeugt, die wie ein Nachklang sehr leise in der Elektronik dauerhaft vorhanden bleiben. Verschiedene weitere Elemente wechseln sich ab oder überlappen sich gegenseitig. Sehr hohe Dreiton-Akkorde (2′) repetieren und wandern ganz allmählich immer weiter abwärts. Dann taucht mit einer prägnanten 8′-Zungen-Registrierung ein permutierendes Motiv auf. Als weiteres kontrastierendes Element tauchen gelegentlich zwei wechselnde Akkorde auf, die durch die 2′-Registrierung zwar in tiefer Lage gespielt werden, aber in einer gemäßigten Mittellage erklingen. Zwischen diesen Elementen tauchen signalartige, sich wiederholende Töne in hoher Lage mit der 8′-Zunge auf. Diese wandern bei jedem Auftreten über den gesamten Verlauf des Stückes einen Halbton aufwärts.

In der Elektronik werden Tonhöhen aus dem Orgelpart aufgenommen und miteinander moduliert. Bei diesen Frequenzmodulationen entstehen einerseits Zusammenhänge im Bezug auf die Tonhöhe, aber auch im Hinblick auf die Klangfarbe, da durch diese eine starke Verwandtschaft zum Klang von Zungenregistern entstehen kann.

Insgesamt gewinnt die Elektronik im Verlauf des Stückes immer mehr an Dichte und Lautstärke und verschiebt ganz allmählich den Kontext, indem die Orgel erklingt.

Weitergehen (Going Further, 2019) is a single linear musical process that manifests itself in a great crescendo. At the beginning, the organ is in the foreground. In the pedal, low neighbouring semitones create booming interferences that remain permanently present in the electronics like a reverberation. Various other elements alternate or overlap each other: very high three-note chords (2′) repeat and move gradually further and further downwards. A passing motif then emerges with a concise 8′ reed registration. As a further contrasting element, two alternating chords appear again and again; these are played on low keys due to the 2′ registration, but sound in a moderate middle range. In between these elements, repeated fanfare-like notes keep appearing in the high range with the 8′ reed. Each time they appear, in the course of the piece, they move up a semitone.

In the electronics, pitches are taken from the organ part and modulated together. These frequency modulations create connections with regard to pitch on one hand, but also to timbre, since they can create a strong relationship with the sound of reed stops.

All in all, the electronics gain more and more density and volume in the course of the piece and very gradually shift the context in which the organ is heard.

Folgen (2020) bezieht sich auf das Verhältnis zwischen Orgel und Elektronik. Hier wird über einen vorgegebenen Notentext mit den Klangfarben, also den Registern und ggf. vorhandenen Spielhilfen an der Orgel, frei gestaltet. Die Elektronik wird währenddessen live durch mehrere Regler gesteuert. Diese beeinflussen ebenfalls lediglich die Klangfarbe, da die Tonhöhen algorithmisch generiert werden und sich ausschließlich aus aufeinanderfolgenden Quinten ergeben. Durch das Steuern von verschiedenen Parametern soll dem Orgelklang so gefolgt werden, dass man die beiden Klangquellen möglichst nicht voneinander unterscheiden kann.

Folgen (Following, 2020) refers to the relationship between organ and electronics. Here, a given musical text is used to freely configure the timbres (i.e., the stops and any available playing aids on the organ). Meanwhile, the electronics are managed live with using several controllers. These also only influence only the timbre, since the pitches are generated algorithmically and result exclusively from successive fifths. By controlling various parameters, the organ sound is heard in such a way that the two sound sources can hardly be distinguished from one another.

Makrokreise (2018) ist ein vierkanaliges elektroakustisches Stück. Verschiedene Materialien wurden mit ihren klanglichen Eigenschaften aufgenommen: darunter Holz, Stein, Metall und Glas. Die aufgenommenen Klänge werden in besonders langen Wiederholungen gespielt. Dabei verändern sich allmählich und kaum wahrnehmbar immer wieder einzelne Elemente. Rhythmen verlangsamen sich, unregelmäßige Bewegungen werden regelmäßig oder die Tonhöhen wandern in verschiedene Richtungen. Durch einen quadrofonen Aufbau der Lautsprecher wird die Idee von Kreisen nicht nur auf einer zeitlichen Ebene durch Wiederholungen umgesetzt, sondern auch durch Kreisen im Raum.

Makrokreise (Macrocircles, 2018) is a four-channel electroacoustic piece. Different materials were recorded with their sonic properties: among them wood, stone, metal and glass. The recorded sounds are played with particularly long repetitions. In the process, individual elements change gradually and almost imperceptibly. Rhythms slow down, irregular motions becomes regular or the pitches move in different directions. With a quadraphonic set-up of the loudspeakers, the idea of circles is not only realized on a temporal level through repetitions, but also by sounds circulating in space.

Tobias Hagedorn (*1987 in Moers) studierte Kirchenmusik und Elektronische Komposition an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln und Komposition an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main. Er war Stipendiat der Mozartstiftung sowie Preisträger des „ad libitum Kompositionswettbewerb“ vom Netzwerk Neue Musik Baden-Württemberg. 2022 erhält er durch die Bundesregierung einen sechsmonatigen Stipendienaufenthalt in der „Cité Internationale des Arts in Paris“. Seine Musik wurde bereits im Deutschlandfunk und im WDR ausgestrahlt. Hagedorn unterrichtet an der HfMDK Frankfurt am Main, am Dr. Hoch’s Konservatorium und an der HfM Trossingen. Als nebenamtlicher Organist an der Kirche Herz Jesu in Frankfurt-Oberrad veranstaltet er die Konzertreihe mit zeitgenössischer Musik „HörBar“. Seine Musik bewegt sich zwischen Komposition und Programmierung digital beschreibbarer Prozesse. Er arbeitet dabei mit der Programmierumgebung „Pure Data“.

Tobias Hagedorn was born in Moers in 1987. He studied church music and electronic composition at the Hochschule für Musik und Tanz in Cologne, as well as composition at the Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main. He received a scholarship from the Mozart Foundation and was a prizewinner of the “ad libitum” composition competition of the Netzwerk Neue Musik Baden-Württemberg. In 2022, he will receive a six-month scholarship from the German government to be spend at the Cité Internationale des Arts in Paris. His music has been broadcast on Deutschlandfunk and the WDR. Hagedorn teaches at the HfMDK in Frankfurt am Main, at Dr. Hoch’s Konservatorium and at the Hochschule für Musik Trossingen. As a part-time organist at the Herz Jesu Church in Frankfurt-Oberrad, he organises “HörBar”, a concert series with contemporary music. His own music is a combination of composition and the programming of digitally describable processes. He works with the programming environment “Pure Data”.

1977 in Bochum geboren, studierte Dominik Susteck Kirchenmusik, Komposition, Musiktheorie und Orgel in Essen, Köln und Saarbrücken. Zudem schloss er 2008 ein Schulmusikstudium mit dem zweiten Staatsexamen ab. Als Organist wirkte er 2007 bis 2021 u. a. am Kölner Zentrum für zeitgenössische Kunst, Musik und Literatur „Kunst-Station Sankt Peter“. Er spielte zudem zahlreiche Uraufführungen und wirkt als Komponist. Für seine CD-Einspielungen mit überwiegend zeitgenössischer Musik bei den Labels WERGO und Querstand erhielt er u. a. zwei Preise der deutschen Schallplattenkritik. Lehrtätigkeiten an den Hochschulen Essen, Düsseldorf, Weimar und Köln begleiten sein künstlerisches Schaffen.

­Born in Bochum in 1977, Dominik Susteck studied church music, composition, music theory and organ in Essen, Cologne and Saarbrücken. He also completed his studies in school music with the second state examination in 2008. As an organist, he worked from 2007 to 2021 at, among other places, „Kunst-Station Sankt Peter“- the Cologne Centre for Contemporary Art, Music and Literature. He has also given numerous world premieres and also works as a composer. He has received two German Record Critics’ Awards for his CD recordings of mainly contemporary music on the WERGO and Querstand labels. In addition to his artistic work, he has taught at the universities in Essen, Düsseldorf, Weimar and Cologne.

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